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Hamningberg – End of Europe 😉
Von Vardø sind wir weiter nach Hamningberg gefahren. Dort gibt es viele Rentiere, sogar ganze Rentierherden. Es war faszinierend, diese majestätischen und teilweise auch drolligen Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten.
Begegnungen in Hamningberg
Am nächsten Morgen hatte ich eine wunderbare Begegnung am Strand. Ich traf eine Einheimische, die sich als sehr nette Gesprächspartnerin herausstellte. Da ich ihren echten Namen geändert habe (ich weiss nicht, ob ich den einfach nennen darf…), nenne ich sie hier einfach «Ingrid». Ingrid und ihre Mutter haben hier ein Haus gemietet und sie luden mich ein, bei ihnen Kaffee zu trinken. Es war ein sehr nettes und interessantes Gespräch.
Ingrids Mutter wurde in Hamningberg geboren, musste aber während des Krieges fliehen. Die beiden leben heute aber nicht mehr hier, sondern waren in den Ferien. Hamningberg ist nicht ganzjährig bewohnt; eigentlich sind alle Häuser hier Ferienhäuser. Im Winter ist die Strasse geschlossen, was das Dorf sehr isoliert macht.
Vor rund 20 Jahren war das Dorf wohl noch ziemlich heruntergekommen, viele Häuser waren kaputt. Aber mit dem Bau der Strasse und dem Zugang zum Internet wurden die Häuser renoviert. Heute gibt es viele Ferienhäuser, ein Restaurant und ein Café. Das ehemalige Haus von Ingrids Mutter gibt es heute nicht mehr. Als sie fliehen mussten, waren sie sehr arm und haben deshalb das Haus abgebaut und mitgenommen. Das war sehr aufwändig, denn das Material musste mit einem kleinen Schiff vom Hafen auf ein grösseres Schiff auf dem Meer transportiert werden.
Die Geschichte von Ingrid und ihrer Mutter hat mich tief bewegt und mir einen einzigartigen Einblick in die Vergangenheit und Gegenwart dieses besonderen Ortes gegeben. Es war eine wertvolle Erfahrung, die ich nicht so schnell vergessen werde.
Linas Abenteuer in Hamningberg
Für Lina ist es hier in Hamningberg sehr schwer, zur Ruhe zu kommen. Ständig kommen neue Leute auf den Parkplatz, was für sie viel schwieriger ist als immer die gleichen Gesichter zu sehen. Und wenn es keine Menschen sind, sind es Rentiere…
Video-Imporessionen
Am Nachmittag sah ich jemanden rennen und kam auf die Idee, mit Lina joggen zu gehen. Sie zog sowieso wie ein Stier, weil überall Rentiere sind, also war das die perfekte Gelegenheit, ihre Energie sinnvoll zu nutzen. Das Wetter hatte zugezogen, aber dadurch war es nicht so warm – ideale Bedingungen für einen Lauf.
Während unseres Joggings merkte ich, wie Linas Anspannung langsam nachliess. Sie genoss die Bewegung und die frische Luft, und ich konnte mich ebenfalls entspannen. Zurück im Auto schloss ich alle Fenster und Türen, um es für sie etwas gemütlicher zu machen, was tatsächlich half. Es war eine kleine, aber erfolgreiche Massnahme, die uns beiden guttat.
Am Abend habe ich etwas Feines gekocht (was den Namen Kochen verdient) und hatte ziemlich Kohldampf. Das Essen war sehr lecker. Leider hat das Wetter im Laufe des Tages total zugemacht, es ist nun neblig. Aber eigentlich macht das nicht so viel, denn dafür ist es nicht zu warm im Auto. Lina ist nun endlich zur Ruhe gekommen und schläft. Das liegt wohl auch daran, dass alle Schotten dicht sind. Es ist beruhigend, sie so friedlich schlummern zu sehen, während der Nebel draussen alles in eine mystische Atmosphäre hüllt.
Von Hamningberg zurück nach Vadsø und Mortensnes
Von Hamningberg sind wir wieder zurück Richtung Vadsø gefahren und haben uns auf dem selben Campingplatz niedergelassen, auf dem wir schon einmal waren. Es war eine willkommene Gelegenheit, ein paar alltägliche Dinge zu erledigen: Wasser auffüllen, Wäsche waschen und ein wenig zur Ruhe kommen.
Überraschende Entdeckungen beim Einkaufen
Am nächsten Tag erwarteten uns erneut viele Eindrücke. Der Morgen begann mit einem Einkauf. Ich hatte einen Do-it-Laden gesucht und erwartet, fand jedoch eher einen Bauhandel für grobes Material vor. Und an der Stelle, wo ich ein Einkaufszentrum für Lebensmittel vermutete, befand sich tatsächlich ein Do-it-Laden (dort ist die Chance höher für etwas Auswahl an Hundefutter). Die überraschenden Entdeckungen brachten mich zum Schmunzeln und erinnerten mich daran, wie spannend es sein kann, neue Orte zu erkunden.
Vadsø Kjærlighetsstien (Liebespfad)
In Vadsø machten wir den Kjærlighetsstien, einen einfachen und schönen Pfad, der uns eine erholsame Pause und eine wunderbare Aussicht bot. Der Weg war nicht anspruchsvoll, aber dafür umso entspannender. Es war eine willkommene Gelegenheit, die Natur zu geniessen und ein wenig zu reflektieren und über den Wert von Liebe nachzudenken. Dazu zwei Zitate vom Liebespfad.
Kulturelle Schätze in Mortensnes
Danach fuhren wir weiter nach Mortensnes, einer Kulturstätte, unter der ich mir zunächst nichts richtig vorstellen konnte. Doch je weiter wir auf dem angelegten Weg gingen und die Information lasen, begann ich, die Zusammenhänge zu verstehen, und es wurde wirklich interessant. Mortensnes beherbergt kulturelle Schätze aus verschiedenen Epochen, von der Zeit direkt nach der Eiszeit über die Steinzeit bis etwa ins 19. Jahrhundert. Auf dem Weg kann man quasi alles in chronologischer Reihenfolge anschauen und so die Entwicklung Kultur nachvollziehen. Beeindruckend waren auch die Grabstätte sowie der Ort für Rituale. Als wir bei der Grabstätte ankamen (ein grosses «Feld» mit flachen Steinen), begann Lina wie verrückt an zu schnüffeln. Das kann natürlich Einbildung sein, aber vielleicht riecht sie den Geist der vor über 2000 Jahren begrabenen Menschen hier?
Enttäuschung und Überraschung in Nesseby
Unser letzter Halt des Tages war die Kirche von Nesseby. Leider war dieser Besuch eher enttäuschend. Es gab keinerlei Informationen über die Kirche, und sie war geschlossen. Doch dafür stiessen wir auf spannende Infos zu den Fischgestellen (pollock rack). Es war faszinierend zu erfahren, warum diese früher höher und dreieckig waren und heute nicht mehr so hoch sind.
Trotz einiger kleiner Enttäuschungen war es ein ereignisreicher Tag voller neuer Erkenntnisse und schöner Momente. Die Mischung aus Natur, Kultur und Geschichte machte diesen Abschnitt unserer Reise besonders wertvoll.
Nachdenkliche Momente auf Reisen
Reisen bringen nicht nur Abenteuer und Entdeckungen, sondern oft auch Momente des Innehaltens und Nachdenkens. In den letzten Tagen habe ich mich intensiv mit zwei Themen auseinandergesetzt: dem Fischen in dieser Region und meinen Überlegungen zur Reise entlang der russischen Grenze.
Gedanken zum Fischen
Es hat hier viele Menschen, die zum Fischen herkommen. Ich habe allerdings schon mehrmals gehört, dass es aktuell kaum Fische im Fluss gibt. Ein Mann war gerade dabei, den frisch gefangenen Lachs zuzubereiten und meinte, er habe viel Glück gehabt. Ein anderer Mann hat nach drei Tagen fischen gar nichts gefangen. Diese Erlebnisse haben mich nachdenklich gestimmt, denn es ist ja ein Kreislauf. Je weniger Fische hierher kommen, um zu laichen, desto weniger gibt es im Meer. Und je mehr im Meer gefischt wird, desto weniger kommen hierher zum laichen.
Für viele scheint es eine Art Trophäe zu sein, einen Lachs zu fangen. Beim Campingplatz gab es ein Schild, das auf Fangquoten aufmerksam macht. Anscheinend gibt es (zu) viele Touristen oder zu wenige Lachse. Diese Beobachtungen haben mich dazu gebracht, über die Balance der Natur und die Verantwortung des Menschen nachzudenken. Ist es wirklich notwendig, so viele Fische zu fangen, nur um eine Trophäe zu haben? Und wie können wir sicherstellen, dass zukünftige Generationen auch noch das Vergnügen haben, diese majestätischen Fische zu sehen?
Zweifel und Überlegungen zur Reise entlang der russischen Grenze
Ich überlege, durch Finnland an der russischen Grenze entlang zu fahren. Aber desto mehr ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zur Überzeugung, dass es das Risiko nicht wert ist. Das Risiko, dass Lina im Jagdfieber abhaut und auf die russische Seite gelangt, ist zwar minimal, aber ich hätte dann ein grosses Problem. Es ist einfach nicht nötig, dieses Risiko einzugehen.
Bei Kirkenes gäbe es noch eine Wanderung zu den drei Landesgrenzen Norwegen, Finnland und Russland, wo sich zudem drei Zeitzonen treffen. Aber auch hier bin ich sehr am zweifeln, ob ich das machen soll. Die Vorstellung, an einem so speziellen Ort zu stehen, ist faszinierend, aber die möglichen Komplikationen lassen mich zögern.
Manchmal ist es besser, auf Nummer sicher zu gehen und die Reise so zu gestalten, dass sie für alle Beteiligten – vor allem für Lina – sicher und angenehm bleibt. Es ist wichtig, die Balance zwischen Abenteuerlust und Verantwortungsbewusstsein zu finden. Diese Reflexionen sind ein wesentlicher Teil meiner Reise und helfen mir, bewusste Entscheidungen zu treffen.