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Auf zur Landschaftsroute Varanger und zauberhafte Überraschungen unterwegs
Unsere Reise führte weiter zu unserer letzten Landschaftsroute in Norwegen – der Route Varanger. Unser erster Halt unterwegs war allerdings Trollholmsund. Schon der Name weckte unsere Neugier und liess uns schmunzeln.
Trollholmsund, ein Ort voller magischer Steinformationen, die aussehen, als wären sie direkt aus einem nordischen Märchen entsprungen. Diese skurrilen Felsen, die wie erstarrte Trolle am Meer stehen, luden uns zu einer fröhlichen Wanderung ein. Jeder Stein schien eine eigene Persönlichkeit zu haben, und wir konnten uns leicht vorstellen, wie sie nachts zum Leben erwachen und ihre Geschichten erzählen. Die Wanderung war ein wahrer Genuss – sanfte Meeresbrisen, das Rauschen der Wellen und die Gesellschaft dieser steinernen Wesen machten den Ausflug unvergesslich.
Die Pause beim Parkplatz hingegen war weniger idyllisch. Lina kündigte jeden Vorbeikommenden mit lautem Bellen an, was für mich ein bisschen zu viel des Guten war. Dennoch liesse ich mir die Laune nicht verderben und wir setzten unsere Reise fort in Richtung Varanger.
Weiter ging es auf der E6, und wie es das Schicksal wollte, entdeckten wir spontan einen Parkplatz, der zu einem Naturschutzgebiet führte. Ohne lange zu überlegen, entschieden wir uns für eine ausgiebige Wanderung durch ein Vogelbeobachtungsgebiet. Die Natur zeigte sich von ihrer besten Seite, und wir wurden von der Vielfalt der Vogelwelt umgeben. Allerdings mussten wir schnell feststellen, dass ohne Feldstecher und Objektiv vernünftige Beobachtungen kaum möglich waren. Die Vögel schienen zu wissen, dass sie in sicherer Entfernung waren, und präsentierten sich stolz in ihrer natürlichen Umgebung.
Nach der Wanderung fanden wir einen Parkplatz mit einer atemberaubenden Aussicht auf das umliegende Naturschutzgebiet. Die Sonne strahlte am Himmel und tauchte die Landschaft in ein warmes Licht. Leider hatten auch die Mücken und Bremsen diesen idyllischen Ort für sich entdeckt. Während wir die Aussicht genossen, mussten wir uns ständig gegen die kleinen Plagegeister wehren. Besonders ich mache mir etwas Sorgen um die spätere Weiterreise gegen Süden, da diese Insekten mich regelrecht zu lieben schienen!
Die Autofahrt selbst war angenehm und ruhig, mit kaum Verkehr auf der Strasse. Umso erstaunlicher war es, dass jeder der «üblichen» Spots mit Fahrzeugen jeder Art belegt war. Es schien, als hätten auch andere Reisende die gleiche Idee für ihre Route gehabt.
Das Wetter war sonnig und warm – fast schon schwül. Für meinen Geschmack war es etwas zu warm, da ich eher kühlere Temperaturen bevorzuge. Doch die Schönheit der Natur und die Abenteuer der Reise liessen mich die Hitze vergessen.
Ankunft auf der Landschaftsroute Varanger
Nach einem ereignisreichen Tag erreichten wir schliesslich unseren ersehnten Zielort: den Campingplatz, der sich bereits auf der Landschaftsroute Varanger befand. Denn ich hatte ein neues, technisches «Problem»: Die Board-Batterie hält nicht mehr, sie entlädt sich auf unter 11 Volt über Nacht (ohne nennenswerte Verbraucher). Ich brauchte also Strom.
Als alles eingerichtet war, liess ich mich mit einem seligen Seufzer auf den Campingstuhl sinken und gönnte mir ein wohlverdientes Glacé vom Campingshop. Die kühle Süsse war genau das Richtige, um die Wärme des Tages zu vertreiben.
Lina schien ebenfalls die Ruhe zu geniessen. Nach all den Eindrücken und den vielen Menschen, denen wir begegnet waren, konnte sie endlich ein wenig herunterfahren. Der Campingplatz bot genügend Platz und weniger Ablenkungen, sodass sie sich entspannen und schlafen konnte.
Natürlich gab es auch hier Mücken, aber glücklicherweise nicht in der gleichen Menge wie an unserem morgendlichen Stellplatz oder weiter weg vom Meer. Wir konnten also den Nachmittag und Abend relativ ungestört geniessen.
Wieder ein Leuchtturm 😉
Am Abend machten wir einen gemütlichen Spaziergang zum Leuchtturm im angrenzenden Dorf.
Ich hatte bereits in Hammerfest gelernt, dass Leuchttürme mit rotem Dach in Betrieb sind, während solche mit weissem Dach ausser Betrieb sind. Der Leuchtturm beim Freilichtmuseum Hammerfest, den wir zuvor auf unserer Reise besucht hatten, hatte ein weisses Dach und war somit nicht mehr aktiv. Der Leuchtturm hier hingegen, mit seinem markanten roten Dach, strahlte in der Abendsonne und erfüllte weiterhin seine wichtige Aufgabe als Wegweiser für die Schiffe.
Auf Batteriesuche in Vadsø
Der nächste Morgen begann also mit einer Herausforderung: Die Suche nach einer neuen Batterie für ALMI.
Die erste, empfohlene Anlaufstelle enttäuschte mich schnell – gar nichts dergleichen. Bei den nächsten zwei Stationen leider auch nicht. Mir wurde ein Shop empfohlen, der Elektrogeräte für den Haushalt, aber auch Batterien hatte. Aber leider keine passende Batterie auf Lager und eine Wartezeit von zwei Wochen – das war lediglich eine Not-Option für mich, Plan B, falls es in der ganzen Stadt nichts gibt. Also ging die Suche weiter. Der nette Herr im Shop hatte mir eine Tankstelle empfohlen, dorthin fuhren wir jetzt.
Und wir hatten tatsächlich Glück! Es gab dort eine Batterie an Lager, die perfekt passte. Ein kurzer Moment des Triumphes erfüllte mich. Ohne zu zögern, kaufte ich die Batterie und machte mich daran, sie direkt vor Ort zu ersetzen. Es war nicht allzu schwierig und alles funktionierte einwandfrei. Natürlich hatte die neue Batterie ihren Preis – etwas über 300 Franken. Aber mit einem Alter von über 10 Jahren war die alte Batterie definitiv überfällig für einen Austausch. Manchmal muss man eben investieren, um weiterreisen zu können.
Während ich die Werkzeuge verstaute, kam ich nicht umhin, über die ungewöhnliche Logistik hier in dieser abgelegenen Region nachzudenken. Es erstaunte mich, dass die Lieferung einer Batterie zwei Wochen gedauert hätte, obwohl ganz in der Nähe ein Hafen für die Hurtigruten-Schiffe ist und sogar ein Flugplatz existiert. Dennoch kommen die meisten Waren per LKW. Diese Diskrepanz zwischen moderner Infrastruktur und langsamer Warenlieferung fand ich irgendwie komisch und faszinierend zugleich.
Vielleicht liegt es daran, dass die Region trotz ihrer Anbindung immer noch von den Launen des Wetters und den Eigenheiten des arktischen Lebens geprägt ist. Oder vielleicht gibt es einfach weniger Nachfrage nach bestimmten Autoteilen, sodass die Lagerbestände kleiner sind. In jedem Fall war es eine Erinnerung daran, dass das Reisen in abgelegenen Gebieten immer seine eigenen Herausforderungen mit sich bringt – und genau das macht es so spannend und unvorhersehbar.
Ein unerwartetes Abenteuer: Der Zeppelinmast
Nach dem Batteriewechsel parkierte ich zufällig in der Nähe eines Schutzgebietes in Vadsø, das eine erstaunliche Überraschung für uns bereithielt: den einzigen Zeppelinmast Europas – vielleicht sogar der Welt. Diese historische Struktur, die einst Luftschiffe in den hohen Norden lockte, stand stolz inmitten der unberührten Natur. Der Anblick war beeindruckend und ein Zeugnis vergangener Zeiten, als die Welt noch von der Faszination der Luftfahrt ergriffen war.
Unerwartet nachdenkliche Momente in Vardø
Nachdem wir das Schutzgebiet von Vadsø verlassen hatten, setzten wir unsere Fahrt auf der Landschaftsroute Varanger fort in Richtung Vardø. Dort fanden wir am Ende einer einen ruhigen Platz direkt am Meer.
Ein Gang durch die Schatten der Vergangenheit: Das Steilneset Memorial in Vardø
Entlang der Landschaftsroute Varanger in Vardø befindet sich das Steilneset Memorial, welches in Gedenken an die Opfer der Hexenverfolgung im 17. Jahrhundert errichtet wurde.
Als ich meine Schritte auf das Gelände der Gedenkstätte lenkte, fühlte ich die Schwere der Geschichte, die an diesem Ort lastet. Es ist ein Mahnmal, das nicht nur an die Schrecken der Vergangenheit erinnert, sondern auch die tiefen Narben, die Ungerechtigkeit und Aberglaube auf der menschlichen Seele hinterlassen können.
Das Memorial wurde errichtet, um der 91 Menschen zu gedenken, die im 17. Jahrhundert in Vardø wegen Hexerei angeklagt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Die Künstlerin Louise Bourgeois und der renommierte Architekt Peter Zumthor haben gemeinsam einen Ort geschaffen, der die Besucher in die düstere Atmosphäre dieser Zeit eintauchen lässt.
Beim Betreten der 100 Meter langen Gedenkhalle, die von Zumthor entworfen wurde, spüre ich sofort die bedrückende Stimmung. Die schmalen, dunklen Gänge und die gedämpfte Beleuchtung lassen mich die Unsicherheit und die Angst ahnen, die die Opfer damals empfunden haben müssen. In diesen Räumen wird die Geschichte lebendig und greifbar – sie erzählt von Menschen, die zu Unrecht verurteilt wurden, von verlorenen Leben und von einer Gesellschaft, die von Angst und Misstrauen geprägt war.
Im Inneren der Halle befinden sich beleuchtete Fenster, jedes davon mit einer Geschichte eines der Opfer, verfasst von Professorin Liv Helene Willumsen. Ihre Texte basieren auf alten Gerichtsprotokollen und lassen die Stimmen derer, die hier einst lebten und starben, erneut erklingen. Es ist eine eindringliche Erinnerung daran, dass diese Menschen nicht nur Namen auf Papier waren, sondern Individuen mit Hoffnungen, Träumen und Familien. Ich habe zwei willkürliche Beispiele fotografiert:
Ein besonders bewegendes Element des Memorials ist der brennende Stuhl von Louise Bourgeois. Er symbolisiert die Qualen und das Leiden, das die Opfer erdulden mussten. Der Anblick des Feuers, das unaufhörlich lodert, ruft eine tiefe emotionale Reaktion hervor und erinnert daran, wie grausam und endgültig die Strafen der damaligen Zeit waren.
Während ich das Steilneset Memorial durchschreite, werde ich von einer Welle der Nachdenklichkeit und Trauer ergriffen. Es ist ein Ort, der uns mahnt, die Fehler der Vergangenheit nicht zu vergessen und sicherzustellen, dass solche Grausamkeiten nie wieder geschehen. Die Kunst und Architektur dieses Memorials schaffen eine mächtige Verbindung zur Geschichte und laden uns ein, innezuhalten und zu reflektieren – über die Bedeutung von Gerechtigkeit, Mitmenschlichkeit und die dunklen Kapitel unserer Vergangenheit.
Der Besuch des Steilneset Memorials ist eine tiefgreifende Erfahrung, die noch lange nachhallt. Es ist eine Reise in die Schatten der Vergangenheit, die uns lehrt, mit offenen Augen und Herzen in die Zukunft zu gehen, stets bedacht darauf, dass wir die Würde und das Leben unserer Mitmenschen achten und schützen.
Ein Lichtblick am Horizont: Drakkar und der Leuchtturm von Vardø
Nach dem eindringlichen Besuch des Steilneset Memorials, der uns tief in die düsteren Kapitel der Geschichte der damaligen Zeit eintauchen liess, war es an der Zeit, die Stimmung etwas aufzuhellen. Mit einer Mischung aus Neugier und Vorfreude machten wir uns auf den Weg zu einem der beeindruckendsten Kunstwerke der Region: dem Drakkar.
Das Drakkar, eine moderne Interpretation eines Wikingerschiffs, ragt stolz gegen den Himmel und erinnert an die maritime Geschichte und die Entdeckermentalität der Wikinger. Dieses faszinierende Kunstwerk, erbaut aus Holz und Metall, strahlt eine ungeheure Energie aus und symbolisiert die Stärke und den Abenteuergeist der Menschen, die einst diese rauen Gewässer befuhren.
Als wir das Drakkar erreichten, waren wir sofort von seiner majestätischen Präsenz beeindruckt. Es war, als könnte man die Geschichten der alten Nordmänner fast hören, die auf ihren Drachenbooten ferne Länder erkundeten. Wir verbrachten einige Zeit damit, die Struktur zu erkunden und die atemberaubende Aussicht auf das Meer zu geniessen, die uns daran erinnerte, wie klein wir doch in der Weite dieser Welt sind.
Von dort aus setzten wir unsere Wanderung fort, der uns zum Leuchtturm am Ende des Weges führte. Der Kontrast zum düsteren Gedenken im Steilneset Memorial hätte nicht grösser sein können. Die frische Seeluft, das Rauschen der Wellen und die strahlende Sonne, die sich im glitzernden Wasser spiegelte, hoben unsere Stimmung merklich.
Als wir schliesslich den Leuchtturm erreichten, wurden wir mit einem Panoramablick sowie einem Adler über uns belohnt. Der Leuchtturm selbst, ein Symbol der Hoffnung und des Schutzes, strahlte in der Nachmittagssonne. Seine Bedeutung als Wegweiser für Seefahrer und als Mahnmal für die Standhaftigkeit in stürmischen Zeiten wurde uns auf einmal sehr klar.
Der Besuch des Drakkar und die Wanderung zum Leuchtturm boten uns einen wundervollen Ausgleich zu den schweren Gedanken des Morgens. Es war ein Tag voller Kontraste – von der tiefen Nachdenklichkeit im Memorial zu den freudigen Erlebnissen in der Natur. Diese Reise zeigte uns, dass das Leben, trotz seiner dunklen Momente, immer auch Licht und Hoffnung bereithält.